Bundesverfassungsgericht erlaubt Bundeswehreinsätze im Inneren


Bundesverfassungsgericht

Bisher galt die Regel: Die deutsche Bundeswehr ist Auslandseinsätzen vorbehalten, im Inneren darf sie bei schweren Unglücksfällen hinzugezogen werden; so heißt es im Artikel 35 des Grundgesetzes. Doch darf die Bundeswehr dabei auch Waffen einsetzen? Darüber bestand lange Unklarheit, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe fällte nun die Entscheidung: Fortan darf die Bundeswehr mit „militärischen Kampfmitteln“ gegen Terrorangriffe im Inneren vorgehen. Zulässig sei der Einsatz bei „Zuständen katastrophalen Ausmaßes“, so der Wortlaut der Richter.

Wann ist der Waffeneinsatz im Inneren erlaubt?

Was bedeutet diese Entscheidung nun konkret? In welchen Fällen darf die Bundeswehr auch im Inland zu den Waffen greifen? Demonstrationen sollen nicht mit Waffengewalt angegangen werden; auch der Abschuss von Passagierflugzeugen, die von Terroristen gekapert werden, ist weiterhin nicht erlaubt. Diese dürfen allenfalls von Kampfflugzeugen abgedrängt oder mit Warnschüssen zur Landung gezwungen werden. Wann allerdings ein konkreter Katastrophenfall besteht, muss die Bundesregierung als Gesamtes entscheiden; der Einsatzbefehl darf nicht vom Verteidigungsministerium allein ausgehen. Laut dem Beschluss aus Karlsruhe sollen zu den „besonders schweren Unglücksfällen katastrophalen Ausmaßes“ Naturkatastrophen gehören, genauso allerdings „Gefahr für die Bundesrepublik oder ein Bundesland“ oder für die freiheitlich demokratische Grundordnung.

Revision der Entscheidung von 2006

Alle 16 Richter des Bundesverfassungsgerichtes beteiligten sich an der Entscheidung, eine Situation, die nur äußerst selten vorkommt. Mit ihrem Beschluss revidierten die Richter ein Urteil aus dem Jahre 2006, das Luftsicherheitsgesetz, damals von Bundesinnenminister Otto Schily auf den Weg gebracht. Darin werden sowohl der Beschuss von Passagierflugzeugen mit Zivilisten an Bord als auch der Bundeswehreinsatz im Inneren ganz allgemein verboten. Militärischer Waffeneinsatz sei nur in Notstandssituationen und zur Landesverteidigung erlaubt. Nach Klagen der Bundesländer Hessen und Bayern musste das Karlsruher Gericht diese Entscheidung erneut prüfen.

Die Reaktionen auf das Urteil fallen gemischt aus: Wolfgang Bosbach, CU, Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag, begrüßte die Entscheidung ausdrücklich. Zufrieden zeigte sich auch die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Die SPD kritisiert dagegen, dass der Katastrophenzustand, der einen bewaffneten Einsatz der Bundeswehr erlaubt, nirgends eindeutig definiert werde; Entscheidungsträger blieben so hilflos zurück, heißt es aus der Fraktion.

Bildnachweis: Bundesarchiv B 145 Bild-F080597-0004, Bundesverfassungsgericht, Verhandlung II. Senat © Das Bundesarchiv – commons.wikipedia.de