Die Schwachstelle Zähne

Man kann mit offenem Mund auf die Evolution blicken und staunen. Die Anpassungsfähigkeit der Tier- und Pflanzenwelt ist scheinbar grenzenlos. Das Prinzip zufälliger Mutationen, die Veränderungen bringen und das Konzept, dass die Stärksten überleben, ist gut durchdacht. So haben wir Menschen uns nach und nach aus verschiedenen Weichtieren und Fischen entwickelt. Neben den zahlreichen Veränderungen, die uns und den anderen Säugetieren viele Vorteile bringen, gibt es aber die Schwachstelle Zähne. Was auch immer im sonst doch recht überzeugenden Plan der Schöpfung schiefgelaufen ist, lässt sich schwer sagen. Aber unsere Zähne sind kein großer Wurf und in vielerlei Hinsicht sogar ein Rückschritt. Mit wenigen Ausnahmen ziehen sich Zahnprobleme nicht nur durch unser komplettes Leben, sondern beeinträchtigen auch andere Säugetiere und reduzieren deren Lebensfreude.

Zähne

Wer ein Kind hat wird sich unter Schweißausbrüchen daran zurückerinnern, wie das arme kleine Wesen gelitten hat, als die ersten Zähne durchgebrochen sind. Gesundes rosiges Zahnfleisch wird brutal von kleinen spitzen weißen Milchzähnen durchbohrt. Die Schmerzen sind langanhaltend und stark. Kaum sind alle Zähne gewachsen, dauert es nur wenige Jahre, bevor das ganze wieder von vorne beginnt. Ein Zahn nach dem anderen wackelt und fällt unter Schmerzen aus dem blutenden Zahnfleisch. Dahinter wächst ein neuer Zahn. Diesmal, um zu bleiben. Hat man schließlich stolz alle Milchzähne durch die bleibenden Zähne ersetzt, ist es noch lange nicht vorbei. Aus den zuerst 24 Zähnen wurden schon mal 28, aber 4 weitere Zähne verstecken sich noch im Zahnfleisch. Auch junge Erwachsene haben noch die Freude, die Schmerzen wachsender Zähne zu erleben. Sind die Weisheitszähne schließlich gewachsen, ist der Kiefer vorerst vollständig bestückt.

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Kaum ein Mensch hat am Lebensende noch alle seine Zähne. Meist sind es die Backenzähne, die der Belastung nicht lang genug standhalten

Zahnprobleme

Zahnprobleme begleiten uns ein Leben lang. Unsere Ernährung ist sehr zuckerreich. Damit werden die Bakterien im Mund gut versorgt und können unsere Zähne nachhaltig beschädigen. Karies ist eine weit verbreitete Kulturkrankheit. Aber die Zahnfäule ist nicht der einzige Grund, warum man immer wieder mal zum Zahnarzt muss. Zahnfleischschwund durch zu heftiges Zähneputzen, Entzündungen, weil sich Bakterien in den Zahntaschen am Zahnhals absetzen, Zahnstein, der den Zahn angreift und entfernt werden muss, betreffen jeden früher oder später. Auch die Weisheitszähne wachsen nicht bei jedem Menschen problemlos an ihren Platz. Sie stehen schräg, oder haben zu wenig Platz. Oft entscheidet der Zahnarzt sich dafür, sie zu entfernen, bevor sie überhaupt aus dem Zahnfleisch ragen. Es wirkt ein bisschen, als wären unsere Zähne eine Fehlkonstruktion und passen nicht unbedingt zu unserem Lebensstil.

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Bis zu 50 Mal wächst ein Krokodilzahn nach. Gute Voraussetzungen, um auch im hohen Alter noch als Raubtier aktiv zu bleiben

Krokodil und Hai

Bewundernswert sind genau die beiden Tiere, denen man im Wasser nicht begegnen möchte. Krokodil und Haifisch sind uns in vielen Bereichen überlegen. Einer davon sind ihre Zähne. Das Krokodil beeindruckt mit etwa 80 mächtigen Zähnen. Bricht einer davon ab, wenn es mit 1,6 Tonnen Beißkraft pro cm² zuschnappt, ist das kein Problem. Bis zu 50-mal wachsen die tödlichen Zähne nach und sorgen dafür, dass auch ein altes Krokodil ein tödlicher Jäger bleibt. Haie machen es sich noch einfacher. Statt Zähne nachwachsen zu lassen, legen sie sie gleich in einem sogenannten Revolvergebiss an. Fällt einer aus, wird einfach der nächste hochgeklappt und auch der zweite Biss erfolgt mit einer vollständigen Zahnreihe. Bei den Säugetieren sucht man solche nachhaltigen Zahnkonzepte vergeblich. Am besten hat es noch der Elefant. Die beiden großen Backenzähne im Unterkiefer werden mit jedem Bissen abgenützt. Der Pflanzenfresser zermahlt mit ihnen sehr grobe Nahrung. Ist der Backenzahn abgenützt und fällt aus, wächst der nächste nach. Die ersten beiden sind für etwa 3 Jahre im Einsatz. Danach können weitere 5 nachwachsen, die etwas mehr als 10 Jahre ihren Dienst tun. Mit spätestens 60 Jahren ist dann auch beim Elefanten Schluss mit den Zähnen. Die letzten Zähne fallen aus und der Elefant verhungert.

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Das Revolvergebiss der Haifische bietet einen unendlichen Vorrat an Zähnen

Evolution

Sieht man sich die Kiefer unserer Vorfahren an, dann fällt auf, dass die Zähne immer kleiner werden. Auch wird der Kiefer deutlich kürzer. Ein Grund dafür, dass wir mit den Weisheitszähnen häufig Probleme haben. Allerdings passen unsere Zähne nicht optimal zu unserem Lebensstil. Viel Zucker und weiches Essen sind nicht ideal für die Zähne und den Kiefer. Neben dem Besuch beim Zahnarzt kann das auch zu orthopädischen Problemen führen. Wer sein Kiefer zu wenig fordert, riskiert eine Fehlstellung im Kiefergelenk. Die Ursache ist zu weiche Nahrung und die kleine Portionsgröße. Es ist selten notwendig, vom Essen abzubeißen. Stattdessen ist es etwa schon mundgerecht oder wird mit Messer und Gabel zerkleinert. Die Folge ist eine craniomandibuläre Dysfunktion, kurz CMD. Bei der craniomandibulären Dysfunktion sind die Kiefergelenke verschoben. Bemerkbar macht sie sich durch ein Knacken, oder durch eine Kiefersperre. Der Mund kann nicht mehr so weit geöffnet werden. Neben Symptomen, wie Gesichts- oder Kieferschmerzen kann die CMD für Tinnitus, Kopfschmerzen, aber auch für Rückenschmerzen verantwortlich sein.

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Dem Elefant wachsen 6 Mal Backenzähne. Danach verhungert er

Paläodiät

Tatsächlich sieht es so aus, als wären unser Kiefer und unsere Zähne nicht für unseren aktuellen Lebensstil gestaltet. Die Art uns Weise, wie wir uns ernähren, führt zu verschiedenen, teilweise schwerwiegenden Folgeproblemen. Es erscheint also sinnvoll, diesem Umstand, zumindest in Teilbereichen, Rechnung zu tragen. Statt alles immer gekocht und in kleinen mundgerechten Portionen zu verzehren, ist Rohkost zwischendurch nicht nur wegen ihrer Nährwerte gesund. Die mechanische Belastung, das Abbeißen von harter Nahrung und das Kauen zäher Lebensmittel ist das, wofür unser Gebiss und unser Kiefer sich entwickelt haben. Tragen wir dem also Rechnung, bringt das einen großen Vorteil!