Grün sein

Gegen Frankreich spielt die deutsche Nationalelf seit langer Zeit wieder in grünen Trikots. Das erinnert an Hans-Peter Briegel, Max Morlock und Gerd Müller – aber auch an Jens Jeremies. Ein Spruch im Nackenbereich des Leibchens knüpft ebenfalls an die Vergangenheit an.

Die Pose steht Lukas Podolski ausgezeichnet: entschlossener Blick, Hände am Ball. Viel wichtiger als Körperhaltung oder Mimik ist allerdings das neue Hemd, das der Nationalspieler trägt: Das neue Auswärtstrikot, das die deutsche Nationalelf am Mittwoch beim Spiel gegen Frankreich erstmals unter Praxisbedingungen präsentieren wird.

Das grüne Leibchen weckt Erinnerungen an vergangene Zeiten: Man assoziiert damit weniger Müller, Lahm oder Podolski, sondern sieht eher die menschgewordene Naturgewalt Hans-Peter Briegel, wie er im WM-Finale 1986 dem Argentinier Jorge Burruchaga hinterherrennt und ihn doch nicht erreicht. Man sieht den Grätscher Jürgen Kohler, wie er im Halbfinale der WM 1990 den Engländer Gary Lineker umzupflügen versucht.

 

Man erinnert sich an Max Morlock und seinen Treffer im WM-Halbfinale 1954 gegen Österreich, womöglich auch an Gerd Müllers Tor im EM-Halbfinale 1972. Wer der Nationalelf Böses möchte, der erinnert sich sogar noch an Jens Jeremies bei der EM 2000, wie er dem Kopfball von Alan Shearer hinterhersieht.

 

Weil die Nationalelf sportlich erst nach der Partie gegen Frankreich beurteilt werden kann, lohnt nun ein Blick auf die Farbe des Trikots. In den vergangenen 22 Jahren wechselte der DFB die Farbe seinen Auswärtstrikots immer wieder. Zu Beginn des Jahrtausends gab es auch mal graue Leibchen, was damals durchaus zur Spielweise der Nationalelf passte.

 

Jürgen Klinsmann, der Innovator, forderte dann rote Trikots, da Mannschaften in Rot temperamentvoller wirken sollen und laut Statistiken als erfolgreicher gelten. Schließlich gab es auch elegante schwarze Hemden wie beim Viertelfinale der WM 2010 gegen Argentinien.

Das schwarze Trikot gibt es übrigens länger als das grüne Hemdchen. Am 12. Dezember 1898 trat eine deutsche Auswahl schwarz bekleidet in Paris an – die Partie wird vom DFB offiziell nicht als Länderspiel geführt, gilt jedoch als erstes Spiel einer deutschen Mannschaft.

 

Nun also wieder die grünen Leibchen, in denen die Nationalelf einige Erfolge gefeiert hat. Im Nackenbereich steht in Anspielung auf den ersten EM-Gewinn der Spruch: “1972 – der Beginn einer Erfolgsgeschichte, 2012 – ein neues Kapitel wartet darauf, geschrieben zu werden”. Dieser Satz kann eigentlich nur von Oliver Bierhoff stammen, dem Manager der Nationalelf, der ohnehin agiert, soweit die Symbolik ihn trägt.

 

In der Farbpsycholgie gibt es für die Farbe fast ausschließlich positive Konotationen. Grün soll Natürlichkeit, Frühling, Hoffnung, Zuversicht, Frische, Gesundheit und Jugend symbolisieren. Grün ist die Farbe des Umweltschutzes, es bedeutet, dass alles in Ordnung ist, dass man an der Ampel losfahren darf, dass eine Maschine wunderbar läuft.

 

Mit Weiß kombiniert, der Farbe der Hosen, gilt Grün gar als hilfsbereit, ausdauernd und tolerant. Dann kann bei der EM ja nun wirklich gar nichts schiefgehen, oder? Vielleicht doch! Denn Kermit der Frosch wusste es schon im Jahr 1970: “Es ist nicht leicht, grün zu sein.”

 

Vielleicht sollte man die Diskussion um die Trikotfarbe auch reduzieren auf den Satz von Franz Beckenbauer: “Du musst die Spiele gewinnen, sonst nützt dir das schönste Trikot nichts.”