Seit Wochen mokiert sich die Öffentlichkeit über die allzu laxe Überwachungspraxis des Verfassungsschutzes gegen gewalttätige Rechtsextremisten. Doch wie in den letzten Tagen ruchbar wurde, hat sich der Geheimdienst auch gegenüber der Partei Die Linke einen kaum glaublichen Dilettantismus geleistet.
Die Rede ist nicht etwa von der Ausspionierung sektiererischer Spielwiesen wie der “Antikapitalistischen Linken” und der “Kommunistischen Plattform”. Nein, im vorliegenden Fall sind 27 von 76 Abgeordneten ins präventive Visier der Verfassungsschützer geraten, darunter auch Talkshowdauergast Gregor Gysi und die mittlerweile fast schon staatstragend daher schreitende Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Dass der Verfassungsschutz mitunter aus dem Ruder des Rechtsstaats läuft, ist schon häufiger vorgekommen. Doch aus den bedauerten Ausnahmen scheinen Normalfälle geworden zu sein, die auf eine schwere Krise der Institution an sich schließen lassen. Besonders peinlich dabei, dass betroffene Abgeordnete der Linken gegen das skandalöse Vorgehen nicht etwa die sattsam bekannte Faschismuskeule schwingen, sondern mit Hohn und Spott von einer “Luschenbehörde” reden, die wegen ihrer unzureichenden Gefahrenanalysen und anachronistischen Feindbilder kaum noch ernst genommen wird. Immerhin befinden sich unter den Beobachteten auch eine Reihe von Mandatsträgern, denen der harmlose Ruf vorauseilt, eher pragmatische und koalitionswillige Reformer als Verfassungsgegner zu sein, die ein anderes System anstreben.
Die Linken haben ein großes Problem mit dem Verfassungsschutz
Auch wenn sich Verfassungsschutzpräsident Fromm, Innenminister Friedrich und die Kanzlerin hinter legalistischen Formeln verschanzen -, viele Abgeordnete sind sich parteiübergreifend einig, dass es sich hier um eine weitere Großpanne einer dringend reformbedürftigen Behörde handelt. Besonders ärgerlich sind auch die erwartbaren Konsequenzen, die der politische Missbrauch des ineffektiven Amtes auf erinnerungspolitischem Terrain nach sich ziehen wird. Erleben wir doch seit geraumer Zeit, wie gleichsam im Vierteljahres-Rhythmus ein neues Fass um die DDR und ihre Erben aufgemacht wird. Nach dem quälenden Streit um den Titel “Unrechtsstaat” sei nur an die Debatte um die Versetzung von früheren MfS-Mitarbeitern aus der Stasiunterlagenbehörde erinnert. Vergessen sei auch nicht die jüngste Aufdeckung von Dopingpraktiken im bundesdeutschen Sport seit den 70er-Jahren, mit der eine weitere Bastion der Anklage gegen den real manipulierenden Sozialismus in der DDR ins Wanken geraten ist.